DOTTORE, PASTA & AMORE: Geschichten aus meinem Leben als italienischer Kellner by WALTER COSIMO CORIANO

Autor:WALTER COSIMO CORIANO
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Westend
veröffentlicht: 2014-10-14T16:00:00+00:00

Chappchialass

Untereinander sind wir italienischen Kellner eine verschworene Gemeinschaft. Egal was passiert. Du bist nie alleine, und darauf kannst du dich verlassen. Bei aller Konkurrenz, die es um die Gunst des Padrone, um die Rangordnung, das Trinkgeld oder die Frauen gibt – wenn es drauf ankommt, stehen wir einer für den anderen ein. In jüngeren Jahren war das meine Familie. Wir haben nicht nur zusammen gearbeitet. Wir haben unser Leben miteinander verbracht. Wir wussten alles voneinander. Mit allen Kollegen und unseren Frauen oder Freundinnen sind wir an unseren freien Tagen manchmal mit fünfzehn bis zwanzig Leuten unterwegs gewesen. Ein Riesenspaß.

Einmal, das war kurz vor den Sommerferien, meinte unser Koch: »Jungs, meine Familie ist schon Richtung Italien unterwegs, wie wär’s mit einem Abend bei mir? Wir organisieren ein paar Drinks und spielen ein kleines Fußballturnier auf der Playstation – nur wir Jungs.« Guter Plan! Also telefonierten wir mit den Lieferanten, organisierten in der Mittagspause alles, was für eine erquickliche Männerrunde notwendig ist, und trafen uns am Abend bei Rino. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wir ölten uns das Hirn bis zum Verlust der Muttersprache weg. Ich trinke für gewöhnlich keinen bis höchstens wenig Alkohol und nehme auch sonst keine Drogen. In Rinos Wohnzimmer allerdings kam einiges zusammen. Es ging mit Campari Soda los, dann folgten einige Runden Tequila, und plötzlich kreiste ein Joint. Das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich Cannabis probiert habe. Über die Wirkung kann ich allerdings nichts berichten, da mich schon der ungewohnte Tequila an die Komagrenze geführt hatte und ich bald auf Rinos Sofa zur Seite kippte und einschlief.

Der Drogenkonsum hält sich in unseren Kreisen wirklich in Grenzen. Kellnern in einem italienischen Ristorante ist echter Hochleistungssport. Du bist permanent auf den Beinen und du brauchst einen glasklaren Kopf. Nur so verfügst du über die Sensibilität, die notwendig ist, um dich an einem Abend im schnellen Wechsel auf die vielen unterschiedlichen Gäste einzustellen. Wenn du an einem Abend eine Station mit zwölf Tischen bedienst, die alle besetzt sind, bist du mindestens mit der doppelten Anzahl an Gästen vernetzt. Du musst die Fäden zu jedem Einzelnen in der Hand behalten. Die einen feiern einen Geburtstag, die anderen lassen entspannt den Tag ausklingen, die dritten schweigen sich an, und am nächsten Tisch wird gerade ein kleiner Streit diskutiert. All das geschieht gleichzeitig, und du wanderst von Tisch zu Tisch und machst deinen nächsten Zug. Wie ein Schachspieler beim simultanen Blitzschach, im Idealfall maximal 15 Sekunden pro Tisch. »Sind Sie zufrieden?« »Darf ich noch ein Dessert empfehlen?« »Nein, ich habe Sie nicht vergessen, ich schenke Ihnen nur ein wenig Zeit, damit Sie Ihren Fisch gleich um so mehr genießen können.« In Wahrheit ist dem Koch der Heilbutt verbrutzelt, aber das braucht der Gast ja nicht zu wissen. Sechs, sieben Stunden bist du am Abend auf dieser Restaurant-Rallye unterwegs, und dafür musst du körperlich wie geistig fit sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man in unserem Job nur eine Stunde mit zugedröhnter Birne überstehen könnte. Es macht einfach keinen Sinn. Noch mal: Schnelle Beine und einen klaren Kopf – das ist es, was du brauchst.

Download

Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.